Andrea Câmen

Best Practice Beispiel
Potentialberatung und Ressourceneffizienzprogramm

von Ralf Golanowsky

Best Practice Potentialberatung und Ressourceneffinzienzprogramm

Stand 28.07.2020

Das Unternehmen und die Ausgangslage

Das familiengeführte Unternehmen ist als klassisches KMU im Bereich der Verpackung von Schüttgütern tätig und seit Jahren am Markt etabliert. Die Ertragslage hatte sich in den letzten Jahren kontinuierlich verschlechtert. Der Projektauftrag bestand darin, die Gründe der Ertragsschwäche zu finden und Maßnahmen zur Optimierung zu identifizieren.

 

Erstanalyse

Veränderungen am Markt führten zu immer kleineren Fertigungslosen, kurzfristigen und sich ständig verändernden Aufträgen. Gleichzeitig stiegen kontinuierlich die Qualitätsanforderungen der Kunden. Diese Parameter hatten zur Folge, dass sich die Rüstaufwände in der Produktion stark erhöht hatten.

Eine erste betriebswirtschaftliche Analyse zeigte auf, dass sich Personal- und Materialaufwände in der Relation zur Geschäftstätigkeit signifikant verschlechtert hatten. Gleichzeitig waren Lagerkosten und Kaptalbindung gestiegen. In vielen Aufträgen bildete sich in der Nachkalkulation ein negativer Deckungsbeitrag ab.

Beratungskonzept & Potentialberatung NRW

Auf Basis der Erstanalysen wurde ein Beratungskonzept mit den Fachbereichen Finanzen, IT und Prozessmanagement erarbeitet. Vorrangiges Ziel war dabei die Abwendung einer drohenden Finanzkrise und die Stabilisierung, um die Stärke zur weiteren Optimierung zu erreichen.

Das Beratungskonzept wurde im Rahmen eines Fördergespräches der zuständigen Regionalagentur vorgestellt. So konnten die ersten 10 Beratungstage mit 5.000 € teilfinanziert werden.

Begleitendes Projekt Finanzkommunikation

Im Bereich der Finanzkommunikation und Unternehmensnachfolge wurde ein begleitendes (frei finanziertes) Projekt implementiert. Mit diesem wurden die aktuelle und künftige finanzielle Unterstützung der Banken im Hinblick auf die prozessualen und strukturellen Veränderungen gestützt. Das Vertrauen der Kapitalgeber konnte so verbessert werden. Die Finanzierung der Folgeschritte wurde vorbereitet und realisiert.

Projektierung - Potentialberatung


Start

Der Führungskreis im Unternehmen und die Belegschaft wurden mit Projektstart über die Unternehmenslage und die Potentialberatung im Rahmen von innerbetrieblichen Informationsveranstaltungen über den Beratungsprozess in Ablauf und Zielsetzungen informiert. Durch diese Einbindung konnten direkt Sorgen und Ängste gemindert werden. Mitarbeiter*innen zeigten sofort eine hohe Identifikation und machten erste konkrete Vorschläge.

Erweiterte Ist-Aufnahmen

In den Bereichen Steuerungskennzahlen und allen Prozessen von Kundenanfrage über Kalkulation bis Realisierung und Lieferung erfolgten erweiterte Ist-Aufnahmen in den jeweiligen Prozessen. Als methodische Werkzeuge dienten hierzu:

  • Einzelinterviews
  • Multimomentaufnahmen
  • Bilddokumentationen
  • Sichtung von betrieblichen Steuerungswerkzeugen
  • Prozessaufnahmen auf Basis des Turtle Modells
  • Ist-Aufnahmen der Verantwortungsstrukturen

Analyse & Umsetzung

Prozess-Workshops & Maßnahmen

Die gewonnenen Informationen flossen in erweiterte Workshops mit den jeweiligen Prozessbeteiligten ein. In diesen wurden die gefundenen Optimierungsfelder und Einzelpunkte einem konkreten Maßnahmenkatalog zugeführt. Durch Zuordnung der Aufgabenstellungen zu Verantwortlichen und Controllern (eher Unterstützern) mit klaren Zielvorgaben (auch terminlich) konnten Erledigungspunkte in dreistelliger Anzahl in einem hohen Umfang parallel, aber auch aufeinander aufbauend vorangebracht werden.

Die Hauptprozesse wurden in diesem Zuge neugestaltet und mit einem neuen internen Kennzahlensystem zur Prozess- und Unternehmenssteuerung ausgestattet. Hieraus konnten die Abweichungen zwischen Kalkulation, Produktionsvorgaben und Produktionsergebnissen eindeutig abgeleitet werden.

IT

Durch eine ERP Expertin der Kooperation wurden mit den Prozessbeteiligten die Strukturen, Abläufe und Informationen des vorhandenen ERP-Systems analysiert. Unter Einbeziehung des Softwarelieferanten erfolgten Optimierungen am System in den betreffenden Modulen. Die Stammdaten wurden optimiert und neue Steuerungsmechanismen in den Bereichen Kalkulation, Nachkalkulation, Planung, Steuerung sowie Materialwirtschaft eingeführt. Die Ergebnisse daraus fließen in die neuen Regelkommunikationen auf betrieblicher und Leitungsebene ein.

Kommunikation

Als zentrale Maßnahme wurde die tägliche Kommunikation zur Auftragslage und Steuerung neugestaltet, um so der dem Geschäftsmodell entsprechenden Volatilität (z.B. Schwankungen in der Materialversorgung oder Personalbesetzung) zu entsprechen. Besonderes Augenmerk lag dabei auf den im Kennzahlensystem besonders positiven wie negativen Produkten.

Zusätzlich wurden Regelkommunikationen zur betrieblichen Optimierung (KVP) und zur Unternehmenssteuerung (Controlling) eingeführt.

Unternehmensstruktur

Auf Basis der neuen Prozesslandschaft ergab sich eine neue Unternehmensstruktur. Im Verlauf der Potentialberatung zeigte sich, dass die Personalzuordnungen dafür nicht optimal waren. Mit den vorliegenden Informationen zu Qualifikationen sowie Stärken und Schwächen konnten die neu definierten Funktionen intern besetzt werden. Besondere Effekte dabei:

  • Neue Perspektiven für Mitarbeiter*innen mit Potential
  • Entlastung von Mitarbeiter*innen
  • Wertschätzende Wahrnehmung
  • Vorbereitung der Unternehmensnachfolge

 

Folgeprojekt Materialeffizienz

Mit Ende der Potentialberatung wurden die erreichten und offenen Ziele sowie der Beratungsprozess, im Team von Berater*innen und Führungsmitarbeiter*innen gespiegelt. Im Ergebnis waren sich alle einig: Wir wollen da weiter machen – ganz besonders im Bereich Produktions- und Materialeffizienz. Der Fokus lag dabei auf der bereits festgestellten, aber nur teilweise erklärlichen schlechten Materialeffizienz. In enger Abstimmung mit der Effizienz Agentur NRW erfolgte die Konzeptionierung eines Materialeffizienzprogramms. Die ersten groben Analysen zeigten Materialverluste in den Realisierungsprozessen. Hierbei wurden zwei parallele methodische Ansätze gewählt:

  • 5S Programm zur betrieblichen Arbeitsplatz- und Umfeldgestaltung
  • Ressourcenkostenrechnung RKR zur Findung von Materialineffizienzen

Die Umsetzung konnte über das Materialeffizienzprogramm des Landes NRW mit Drittmitteln gefördert werden.

Umsetzung Materialeffizienz-Programm

5S Arbeitsplatz- und Umfeldgestaltung

Durch weitere Multimomentaufnahmen und Bilddokumentationen erfolgte die Identifizierung von Optimierungsmöglichkeiten im betrieblichen Umfeld. Dabei konnten Handlungsbedarfe in den Bereichen:

  • Materialfluss und Betriebslayout
  • Arbeitsplatzgestaltung
  • Raumnutzung
  • Rüstprozesse
  • Fertigungsabläufe
  • Betriebliche- und maschinelle Ausstattung

ermittelt werden.


Für die weitere betriebliche Umsetzung wurde die Methode 5S zur Arbeitsplatzoptimierung in fünf Schritten gewählt. Die Ergebnisse wurden Geschäftsführung und technischem Führungspersonal im Rahmen eines 5S Grundlagenworkshops vermittelt. In weiteren Arbeitsworkshops erfolgten Konkretisierungen von sinnvollen Veränderungsmaßnahmen im Shop Floor.

Es folgten Maßnahmenumsetzungen unter Begleitung und Moderation vor Ort im Betrieb. In mehreren Schritten wurden so die einzelnen Betriebsbereiche grundlegend neu organisiert und in Folgemaßnahmen weiter optimiert. Dabei erfolgten erweiterte Prozessmodellierungen und die Einführung weiterer Steuerungswerkzeuge wie 5S Team-Boards und KVP-Tagesbesprechungen.

Im Ergebnis werden nun in optimierten Arbeitsumfeldern Abweichungen von den Produktionsvorgaben wesentlich früher erkannt und einer Nachbetrachtung sowie Optimierung zugeführt. Die Informationen dazu fließen direkt in die Nachkalkulation und gegebenenfalls Neukalkulation ein. Festgestellte Fehler werden so einer schnellen Korrektur zugeführt.

Zusätzlich konnte durch die Bereinigung von Produktions- und Lagerflächen eine wesentlich höhere Durchsatzgeschwindigkeit und Menge realisiert werden.

Als Kern- bzw. Stützprozesse wurden die Vorgaben in den Bereichen Rüsten und vorbeugende Wartung & Instandhaltung neu definiert. Hierdurch konnten die Ausfallzeiten und Materialverluste maßgeblich reduziert werden.
 

RKR® Ressourcenkostenrechnung

In erweiterten Analysen der Produktions- und Artikelkennzahlen sowie der Materialkennziffern wurden nach Pareto und einer ABC-Klassifizierung die Top-Artikel im Hinblick auf Umsatz- und Ertragsstärke wie auch -Schwäche analysiert.

Im Team wurde der Wertstrom entlang der Prozesskette Lieferung-Lagerung-Fertigung-Lagerung-Versand mit einfachen Sankey Diagrammen visualisiert und auf Potentiale hin geprüft.

Begleitend erfolgten Aufschreibungen und Multimomentaufnahmen der Top Artikel in der Produktion. Dabei erwies sich auch „Kommissar-Zufall“ in den Momentaufnahmen als sehr hilfreich. Es fiel ein großer Karton in einem Produktionsbereich mit bereits genutzten und wieder entleerten Verpackungen auf. Bei der Analyse stellte sich als Ursache ein immer wieder auftretendes Problem in einer Transporteinheit einer Maschine heraus. Keiner hatte dies so wahrgenommen. Letztlich bedeutete eine recht kleine Investition für andere Transportriemen eine Einsparung im fünfstelligen Bereich.

Die Analyse der Einkaufsprozesse im Rahmen der RKR ergab: Durch größere Einkaufslose waren niedrige prozentuale Einsparungen im Einstandspreis realisiert worden. Diese wurden aber mit Finanzierungsbedarfen der Kapitalbindung im Lager, erhöhten Lagerkosten und oft auch überlagerten Materialien oder Restanten erkauft. Letztlich war dies ein negatives Geschäft, das darüber hinaus die Blockierung von Kapazitäten in Lager und Produktion bedeutete.

Ähnliche Ergebnisse waren durch die Versuche Fertigungslose zusammenzufassen entstanden. Es waren zwar nominal weniger Rüstkosten vorhanden, die Fertigung wurde aber wesentlich unflexibler, Fertigware stand länger im Lager und bedeutete weitere Lager- und Kapitalkosten. Mit einer neuen Fertigungsplanung- und steuerung konnten die Fertigungslose optimiert werden. Durch die neuen Rüstprozesse wurden Rüstkosten nicht mehr ausschlaggebend. Im Ergebnis entstand eine flexiblere und termingerechtere Produktion mit geringerer Kapital- und Platzbindung.

Gesamtergebnis

Durch die drei aufeinander aufbauenden Projekte:

  • Finanzkommunikation
  • Potentialberatung
  • Ressourceneffizienzprogramm

wurden im Unternehmen erreicht:

  • + 40% Effizienzsteigerung in der Produktionsleistung
  • + 10% Materialeffizienz
  • Senkung der Kapitalkosten im Umlaufvermögen
  • Schaffung der erforderlichen Ertragskraft für Neuinvestitionen
  • Vorbereitung der Unternehmensnachfolge
  • Abwendung einer drohenden Finanzkrise
  • Stopp einer sich anbahnenden Fluktuationswelle
  • Erhöhung der Mitarbeiter*innen-Zufriedenheit

 

Fazit

Im beschriebenen Fall brauchte es eine ganzheitliche Betrachtung und Analyse der Unternehmenslage. Das entspricht unserem üblichen Ansatz als externe Berater für unsere Mandanten. Hierbei ist es sehr hilfreich die erforderlichen Expertisen mit erfahrenen Berater*innen, die es gewohnt sind, interdisziplinär zusammenzuarbeiten, zur Verfügung stellen zu können.

Die Auswahl und Kombination von sinnvollen Methoden und Werkzeugen ist dabei von großer Bedeutung. Sinnvoll ist dabei das, was nicht nur zielführend, sondern auch von den Beteiligten im Unternehmen händelbar ist. Hierfür braucht es ein hohes Maß an Vertrauen zwischen Berater und Beschäftigten.

Die Kombination von aufeinander oder auch parallellaufenden Förderinstrumenten ist gut machbar. Wichtig ist es dafür die Förderbedingungen zu kennen und mit den Fördermittelgebern transparent abzustimmen.

Das im Projektstart definierte Ziel der Unternehmensstabilisierung und damit Beschäftigungssicherung wurde nicht nur erreicht, sondern es wurde darüber hinaus neues Wachstum geschaffen.

Veränderungen durch Digitalisierung und Vernetzung sind tiefgreifend. Digitaler Wandel im Unternehmen kann gerade in Corona-Zeiten zum wichtigen Wettbewerbsfaktor werden.

Wenn Sie die Notwendigkeit sehen, das Unternehmen agiler zu machen, um schnell auf Anforderungen von außen reagieren zu können und die Freude der Mitarbeiter*innen an der Gestaltung zu stärken, unterstützen wir Sie gerne in Ihrem Umsetzungsprozess.

Dabei haben wir immer auch das ganze Unternehmen im Blick: Was ist Ihr Bedarf? Wo stehen Ihre Führungskräfte? Ist ihnen ihre Rolle im digitalen Wandel deutlich? Und wie steht es um Ihre Mitarbeiter*innen?

Ob in einem Verbundprojekt mit mehreren Unternehmen, oder speziell auf Sie zugeschnitten, unser Angebot passt sich exakt Ihren Bedingungen und Ihrer Größe an. In den Arbeitsfeldern Organisation und Personal, IT, Sicherheit und Datenschutz, Teamarbeit und Führung, Methoden und Instrumente für agiles Arbeiten stehen Ihnen Experten zur Seite, die mit viel Erfahrung und Achtsamkeit Sie und Ihre Mitarbeiter bei der Umsetzung Ihrer Ziele begleiten.

 

Gerne beantworten wir Ihre speziellen Fragen:

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