Johannes Müller

Unternehmensplanung in der aktuellen kritischen wirtschaftlichen Lage
 

von Carsten Müller

Finanzkommunikation und Finanzierung

Stand 21.09.2022

Der Bundesverband Deutscher Unternehmensberatungen (BDU) hat seine Grundsätze ordnungsgemäßer Planung (GoP) überarbeitet und dabei Anforderungen berücksichtigt, die sich für Unternehmen durch neue gesetzliche Vorgaben oder im Hinblick auf eine größere Nachhaltigkeit ergeben. Eine plausible, nachvollziehbare und transparente Unternehmensplanung erachtet der BDU als elementare Grundlage für eine auf Dauer und Erfolg ausgerichtete wirtschaftliche Tätigkeit. In der Unternehmensberater-Praxis wird immer wieder deutlich, wie wichtig realistische Annahmen, zukunftsbezogene Analysen und gut aufbereitete Daten seien. Dieses gilt besonders in der aktuellen allgemein kritischen wirtschaftlichen Lage.

 

Interview von Michael Radtke mit Carsten Müller

Geschäftsführer der Johannes Müller Wirtschaftsberatung (BDU)

 

Hintergrund: Die Grundsätze ordnungsgemäßer Planung - Definition und Ziele

Mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Planung (kurz GoP) hat der Bundesverband Deutscher Unternehmensberatungen (BDU) bestimmte Richtlinien und Vorgaben entwickelt bzw. definiert, welche essenziellen Anforderungen an Unternehmensplanungen bestehen und entsprechend erfüllt werden sollten. Diese Definition fungiert als Gerüst für eine umfassende Planung, die als reproduzierbarer Prozess mit Rückkopplungseffekten funktioniert. Die Voraussetzung für eine individuelle Unternehmensplanung stellt demnach immer eine umfassende Analyse dar, die zum einen den Ist-Zustand abbildet und zum anderen die Potenziale in der Zukunft aufzeigt.

Die GoP hat sich seit der Erstveröffentlichung vor rund 16 Jahren zu einem Planungsstandard entwickelt, der inzwischen zumindest teilweise auch von anderen Organisationen, wie beispielsweise das Institut der Wirtschaftsprüfer, in die eigenen Regeln und Leitlinien integriert wird. Grundsätzlich sollen die GoP die Basis für eine gesicherte Finanz-, Bilanz- und Erfolgsentwicklung von Unternehmen bilden. Zudem verbindet der BDU mit der Anwendung der GoP den Zusatznutzen, dass sich für Unternehmen die entsprechenden Haftungsrisiken reduzieren bzw. generell vermeiden lassen und der Zugang zu Fremdkapital erleichtert wird.

Im April 2022 ist mit der GoP-Version 3.0 eine überarbeitete Fassung der Grundsätze ordnungsgemäßer Planung erschienen. Im Interview schätzt Carsten Müller von der Johannes Müller Wirtschaftsberatung GmbH & Co. KG die Änderungen und die neue Situation ein.

Herr Müller, der BDU hat die Grundsätze ordnungsgemäßer Planung überarbeitet und in vielen Bereichen an die aktuellen Gegebenheiten angepasst. Für wen sind diese Änderungen von besonderer Bedeutung?

Erst einmal für alle Unternehmen. Besonders bedeutsam ist GoP 3.0 aber vor allem für haftungsbegrenzte Gesellschaften. Hier spielt auch die Unternehmensgröße eine Rolle. Gerade kleinere Unternehmen stehen den Anforderungen seitens der GoP häufig skeptisch gegenüber. Das wiederum liegt an den Vorgaben in Bezug auf die strategische Planung und auf die externe sowie interne Analyse. Um hier die Konformität mit den GoP zu behalten, ist der damit verbundene finanzielle und zeitliche Aufwand enorm. Das überforderte bislang gerade kleinere Unternehmen.

Bislang? Sind die Anforderungen in der GoP-Neuauflage jetzt heruntergeschraubt worden?

Nein, im Allgemeinen nicht. Die Vorgaben sind eher noch verschärft worden. Aber kleine Unternehmen haben jetzt mehr Spielraum und werden im Einzelnen betrachtet. Das bedeutet: Kleine Firmen können jetzt Erleichterungen in Anspruch nehmen, ohne gleich die Konformität mit den GoP einzubüßen. Demnach handelt es sich jetzt dann um eine angemessene Unternehmensplanung, wenn sie die eigene wirtschaftliche und informationelle Leistungsfähigkeit abbildet. Diese Definition erleichtert es kleinen Unternehmen, die entsprechenden Richtlinien einzuhalten. Das war zuvor anders, was für viel Unmut und Kritik an den GoP geführt hat.

Also waren die Änderungen der GoP aus Ihrer Sicht zwingend erforderlich? Oder vielleicht sogar überfällig?

Ich denke, es wurde höchste Zeit, dass die GoP angepasst und aktualisiert wurde. Immerhin liegt die Erstveröffentlichung bereits 16 Jahre zurück. Dabei dreht es sich nicht nur allein um die Konformitätsprobleme der kleinen Firmen. Es geht auch um Wandel. Zeiten ändern sich schließlich. Gerade im Wirtschafts- und Unternehmensbereich dreht sich das Rad sehr schnell. Neue Technologien, neue Entwicklungen und vor allem auch neue Gesetze haben eine Aktualisierung der GoP auf jeden Fall erforderlich gemacht.

Was heißt das konkret? Gibt es einen bestimmten Anlass oder auch mehrere Anlässe, die eine Überarbeitung der GoP zum jetzigen Zeitpunkt unaufschiebbar machten?

Mit dem neuen Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, das 2021 in Kraft getreten ist, gab es in der Tat einen konkret genannten Anlass für die Überarbeitung. Denn in dem Gesetz werden klare Vorschriften für die Risikofrüherkennung formuliert. Eins wird dabei überdeutlich: Eine Früherkennung von Risikofaktoren ist nur dann wirklich möglich, wenn die Firmen ein eigenes, unternehmensspezifisches Kennzahlensystem zwecks optimaler Analyse einführen. Nicht umsonst ist das Kapitel Kennzahlen überarbeitet worden. Dabei geht es auch um neu zu schaffende Anreize für kleinere und mittlere Unternehmen, ein eigenes Kennzahlensystem zu entwickeln und zu implementieren.

Welche entscheidenden Änderungen beinhaltet denn die GoP-Neuauflage?

In erster Linie sind jetzt die neuen gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der Unternehmensplanung fest eingebunden. Dementsprechend kommt es hier jetzt zu einigen Änderungen bei den BDU-Richtlinien. Neu formuliert wurden zum Beispiel auch Handlungsempfehlungen für die Integration massenbasierender Methoden in die Unternehmensplanung sowie -steuerung. Dabei geht es in erster Linie um den Einsatz KI-basierter IT-Systeme oder auch um das Implementieren von Predictive Planning and Forecasting, also um die Planung und Prognose unter Einbeziehung großer Datenbestände.

Das Thema Nachhaltigkeit spielt sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich mittlerweile eine enorm große Rolle. Hat der BDU in der GoP 3.0 auch dieses Thema mehr berücksichtigt als in der alten Fassung?

Ja, wobei der Fokus hier auf einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung liegt. Aktualisiert wurden vor allem die diesbezüglichen Anforderungen im Hinblick auf die Risikofrüherkennung und das Erkennen von Nachhaltigkeitsrisiken. Unternehmen müssen diese jetzt klar benennen und auch in den eigenen Planungen angemessen berücksichtigen. Ich finde, das ist genau der richtige Weg. Aus meiner langjährigen Tätigkeit als Wirtschafts- und Unternehmensberater weiß ich ganz genau um die Wichtigkeit einer transparenten, plausiblen und nachvollziehbaren Unternehmensplanung.

Der BDU hat recht, wenn er eine effektive Unternehmensplanung als elementare Grundlage für eine langfristig erfolgreiche wirtschaftliche Tätigkeit ansieht. In der Praxis funktioniert das aber nur, wenn gut aufbereitete Daten vorliegen und von realistischen Annahmen ausgegangen wird. Nur auf dieser Basis sind zukunftsbezogene Analysen überhaupt aussagekräftig.

Wie sieht es denn mit der Rechtsgrundlage aus? Konkret gefragt: Muss sich ein Unternehmen zwingend an die Grundsätze ordnungsgemäßer Planung halten?

Eine gesetzlich vorgegebene Verpflichtung zur Einhaltung der GoP besteht nicht. Vielmehr ist die GoP als Standard mit Mindestanforderungen zu betrachten, wie es der BDU treffend formuliert. Insofern stellen die GoP auf der einen Seite einen Leitfaden respektive eine Bewertungsgrundlage für Berater dar, um die Planungsaktivitäten von Unternehmen bewerten und erstellen zu können.

Auf der anderen Seite profitieren aber auch die Unternehmen selbst von den Planungsgrundsätzen in den GoP. Die aktualisierten Richtlinien dienen ihnen dabei als Orientierung, wenn zum ersten Mal eine Unternehmensplanung erstellt wird oder eine bereits bestehende Planung an veränderte Situationen angepasst werden soll. Dabei fokussieren sich die GoP nicht nur auf die Entscheider im Management-Bereich, sondern bieten auch Controller/innen und Bilanzbuchhalter/innen Hilfestellung bei Planungsaufgaben.

Unternehmen sind also nicht verpflichtet, sich an die sich an die GoP 3.0 zu halten. Dann gibt es doch sicher auch Unternehmen, die sich nicht an den Richtlinien orientieren bzw. sich an diese halten?

Das wäre nicht ratsam, da es so schon konkrete gesetzliche Vorgaben gibt, die Unternehmen zu einer Planung verpflichten. Zu nennen sind hier vor allem der Paragraf 93 im Aktiengesetz, nach dem sich aus der Sorgfaltspflicht eine Verpflichtung zur Planung ergibt.

Oder auch der Paragraf 91 Absatz 2, der in GoP 3.0 jetzt zusätzlich durch die Anforderungen aus Paragraf 1 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes ergänzt wird. Das hat weitreichende Folgen. Denn dadurch sind jetzt alle haftungsbegrenzten Unternehmen verpflichtet, so bezeichnete bestandsgefährdende Entwicklungen frühzeitig zu identifizieren.

Sind von dieser Regelung nur Aktiengesellschaften betroffen?

Nein, das gilt für alle haftungsbegrenzte Unternehmen. Neu ist in diesem Fall, dass jetzt von den Unternehmen gefordert wird, sofort Gegenmaßnahmen im Rahmen der Krisenprävention einzuleiten, sobald ein kritischer Grad der Bestandsgefährdung erreicht wird.

Zentrales Thema ist hierbei die Aggregation der Risiken, zum Beispiel mittels einer Monte-Carlo-Simulation. Die Unternehmensplanung soll hier als Basis genutzt werden, um das zukünftig zu erwartende Eigenkapital und die Liquiditätsausstattung, also das Risikodeckungspotenzial, auch bei unsicheren Planannahmen zu berücksichtigen.

Mit dem Paragraf 91 Absatz 2 des Aktiengesetzes im Kontext mit dem Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität werden zudem alle börsennotierten Unternehmen verpflichtet, ein wirksames Risikomanagement zu betreiben. Das schließt die Fähigkeit der Krisenfrüherkennung ein, aber auch weitergehende Funktionen, wie beispielsweise die Optimierung der Risikobewältigung.

Wie sieht denn letztendlich eine optimale Unternehmensplanung aus?

Es kommt natürlich immer erst einmal auf die individuellen Gegebenheiten und die jeweiligen Spezifikationen an. Davon abgesehen, sollte eine stimmige Unternehmensplanung immer die aktuellen Rechtsgrundlagen, alle relevanten wissenschaftlichen Erkenntnisse sowie das reale Geschehen in der Praxis berücksichtigen. Das bezieht sich ausdrücklich auch auf kleinere Unternehmen.

Diese haben durch die Neuformulierungen in GoP 3.0 jetzt allerdings die Möglichkeit, den finanziellen und zeitlichen Aufwand an die eigene Leistungsstärke sinnvoll anzupassen.

Auf welcher Ebene sollte die strategische Unternehmensplanung stattfinden?

Hier sollte grundsätzlich ein Umdenken stattfinden. Denn die strategische Planung gehört klar in den operativen Bereich und sollte dementsprechend dann auch übertragen werden. Zudem ist die Integration der Unternehmensplanung in das unternehmensinterne Risikomanagementsystem laut BDU jetzt ein Muss. Das ergibt aber auch Sinn, da auf diese Weise die Unternehmen den Anforderungen des Gesetzgebers zur Krisenfrüherkennung entsprechen.

Wie wichtig schätzen Sie die GoP 3.0 und die darin verankerten Forderungen und Richtlinien für den nachhaltigen Erfolg von Unternehmen ein?

Eine GoP-konforme Vorgehensweise im Hinblick auf die Planung kann Unternehmen die Überlebensfähigkeit sichern. Zudem können Unternehmen auf diese Weise vermeiden oder sogar ausschließen, in Haftung genommen zu werden. Wichtig ist dabei eine nachvollziehbare Dokumentation. Denn genau dadurch generiert ein Unternehmen die Grundlage für eine erfolgreiche Fremd- und Eigenfinanzierung. Eine exakte Unternehmensplanung stellt hier einen wesentlichen Erfolgsfaktor dar.

Die Unternehmensplanung steht also im Fokus. Das ist ja erst einmal ein weit gefasster Begriff. Konkretisieren Sie das mal bitte: Wann muss ein Unternehmen überhaupt planen?

Grundsätzlich gehört die Planung zum Werkzeugkasten jeden Unternehmens. Mindestens einmal im Jahr gegen Jahresende sollte jedes Unternehmen eine Planung für das kommende Jahr erarbeiten. Dazu gehören der strategische und operative Blick in die Zukunft. Außerdem immer dann, wenn unternehmerische Entscheidungen anstehen und vorzubereiten sind. Das sind Anlässe für eine gezielte Planung. Bei der Planungsabwicklung kommen dann verschiedene Möglichkeiten zur Ausgestaltung in Betracht. Die Unternehmensplanung wird dabei beispielsweise als Entscheidungsvorlage genutzt. Die Planung basiert in diesem Fall auf bestimmten Erwartungswerten, wobei auch immer Chancen und Risiken von den Werten abgebildet werden. Bezieht sich die Planung dagegen auf die Unternehmenssteuerung, verändert sich die Ausgestaltung. In diesem Fall können dann die erwartungstreuen Planwerte gegen ambitioniertere Ziel-Werte ausgetauscht werden. Und das sind nur zwei Beispiele.

 

 

 

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