Johannes Müller

Referentenentwurf zum Sanierungsrechts-
fortentwicklungsgesetz - BDU-Fachverband Sanierungs- und Insolvenzberatung nimmt Stellung

von Johannes Müller

Wenn Kunden nicht zahlen: Forderungsausfälle versichern – Liquidität sicherstellen

Stand 09.10.2020

Der Referentenentwurf zur Fortentwicklung des Insolvenzrechts enthält aus Sicht des Fachverbands wichtige Neuerungen, um Unternehmen besser außerinsolvenzlich sanieren zu können. Besonders das Herzstück des neuen Sanierungsrechts - das Stabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG) - sei ein wirklicher Meilenstein.

Der Fachverband hat dem Justizministerium eine Stellungnahme mit Vorschlägen vorgelegt, wie der Entwurf noch praxisnäher und frei von möglichen Interessenkonflikten gestaltet werden kann. Unter anderem müssten die Rollen der Restrukturierungsbeauftragten und Insolvenzverwalter klar voneinander getrennt werden.

 

Stellungnahme

des Fachverbands Sanierungs- und Insolvenzberatung im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU e.V. zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz- SanlnsFoG)
 

Der Fachverband Sanierungs- und Insolvenzberatung des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater BDU e.V.leistet seit über 20 Jahren die inhaltliche Arbeit des BDU in Bezug auf sämtliche Fragen um die Restrukturierung und Sanierung von Unternehmen in- und außerhalb von gesetzlich normierten Verfahren. Als solcher ist er in die Diskussion um die Fortentwicklung des deutschen Sanierungs- und Insolvenzrechts intensiv eingebunden und hat zuletzt mit seiner Stellungnahme aus dem November 2019 seinen Beitrag zur Diskussion um den präventiven Restrukturierungsrahmen, heute: Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen (SRR), geleistet.

Nunmehr liegt seit dem 18. September 2020 der Referentenentwurf des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz- SanlnsFoG) vor, der eine Vielzahl von Neuregelungen enthält. Für die Unternehmens- bzw. kaufmännisch geprägten Sanierungsberater, die im Fachverband organisiert sind, sind in erster Linie das in ArtikellSaninsFoG neu eingeführte Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz- StaRUG) sowie ausgewählte und unter ArtikelS SaninsFoG benannte Änderungen der Insolvenzordnung von praktischer Relevanz. Zusätzlich zu einer grundsätzlichen Einschätzung des Gesetzentwurfs will der Fachverband Sanierungsberatung und Insolvenzberatung nur zu diesen für ihn relevanten Aspekten und in gebotener Kürze einige Vorschläge unterbreiten:

Grundsätzliches

Der Fachverband Sanierungsberatung und Insolvenzberatung begrüßt den nun vorliegenden Gesetzentwurf ausdrücklich. Er ist davon überzeugt, dass damit eine gute gesetzliche Grundlage für die Erweiterung der Möglichkeiten einer wert- und arbeitsplatzerhaltenden Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens vorliegt.

Der Fachverband Sanierungsberatung und Insolvenzberatung unterstützt den engen Zeitplan des Gesetzgebers, nämlich die Einführung der neuen gesetzlichen Regelungen zum 1. Januar 2021, also unmittelbar im Anschluss an das Auslaufen der aktuell verbliebenen Erleichterungen des COVInsAG. Dies führt dazu, dass es eine gute Aussicht auf außerinsolvenzliehe Sanierungen für von der CoVID-Pandemie betroffene Unternehmen gibt. Dies hilft die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie einzugrenzen.

Der kurze Zeitrahmen hat aber auch den Vorteil, dass das Gesetz sehr früh einem ..Praxis-Check" unterzogen wird. Die Einführung und die Evaluation des ESUG haben gezeigt, dass die Sanierungspraktiker in Deutschland in der Lage sind, angemessen und ohne Gefahr vor dauerhaftem Missbrauch mit neuen gesetzlichen Regelungen umzugehen. Das Modell der Evaluation nach fünf Jahren sollte Vorbild auch für das StaRUG sein.
 

Der BDU empfiehlt im weiteren Gesetzgebungsverfahren die folgenden fünf Punkte zu berücksichtigen:

Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und restrukturierungsgesetz - StaRUG}


1) Ergänzende Haftungsregelungen gehen zu weit

Gem. § 2 Abs. 1 StaRUG "wahren die Geschäftsleiterinnen die Interessen der Gesamtheit der Gläubigerinnen" ab Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit. Gem. § 2 Abs. 3 StaRUG haftet die Geschäftsleiterin, die die Pflicht nach § 2 Abs. 1 verletzt "der juristischen Person oder Gesellschaft".

Zusätzlich betreibt die Schuldnerin gem. § 32 Abs. 1 StaRUG "die Restrukturierungssache mit der Sorgfalt einer ordentlichen und gewissenhaften Sanierungsgeschäftsführerin und wahrt dabei die Interessen der Gesamtheit der Gläubigerinnen".

Aus Sicht des Fachverbandes Sanierungsberatung und Insolvenzberatung geht diese Haftung zu weit und führt zu lnteressenkollisionen. Der Geschäftsführer hat in erster Linie die Interessen der Gesellschaft bzw. der Gesellschafter zu berücksichtigen. Die Interessen der Gläubiger stehen dem im Zweifel entgegen. Dies führt dazu, dass der Geschäftsführer ab Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit in einen unauflösbaren Interessenkonflikt gerät.

Konkreter Vorschlag BDU: Die Haftung der Geschäftsführung gegenüber den Gläubigern sollte wegen der komplexen Situation, die sich aus der möglichen Interessenkollision Gesellschafter vs Gläubiger ergibt, auf grob fahrlässige oder vorsätzliche Verletzungen beschränkt werden.

 

2) Vorleistungen: Umstellung auf Vorkasse muss möglich sein

Ein weiterer Verbesserungsvorschlag betrifft das 'Verbot von Lösungsklauseln" gem. § 44 StaRUG. Danach stellt die Rechtshängigkeit des Restrukturierungsplans kein Recht für die andere Seite da, die Vertragsbeziehung zu beenden bzw. Leistungen zu verweigern. Konkret bedeutet dies einen Ausschluss von § 321 BGB. Das heißt. der (vorleistungspflichtige) Gläubiger muss weiter liefern, obwohl er befürchten muss, dass er mit einem Teil seiner Forderungen ausfällt. Das gilt nicht einmal im vorläufigen lnsolvenzverfahren: Da darf jeder Gläubiger auf Vorkasse umstellen.

Im Rahmen des Stabilisierungsverfahrens (n § 53 ff. StaRUG) postuliert § 59 Abs. 1StaRUG ebenfalls ein Verbot der Kündigung oder Anderung von Verträgenaufgrund der Stabilisierungsanordnung. Allerdings § 59 Abs. 3 StaRUG hiervon ausdrücklich die Regelung des§ 321 BGB aus. d.h. hier könnte der Vorleistungspflichtige Gläubiger verlangen. dass auf Vorkasse umgestellt oder Sicherheit geleistet wird.


Konkreter Vorschlag BDU: § 44 StaRUG muss um eine der Vorschrift des § 59 Abs. 3 StaRUG entsprechende Regelung ergänzt werden.
 

3) Die möglichen Rechtsmittelgehen zu weit und können aussichtsreiche Restrukturierungspläne durch obstruierende Gläubiger verhindern

Gemäß § 70 StaRUG kann gegen den Beschluss, durch den der Restrukturierungsplan bestätigt wird, die sofortige Beschwerde eingelegt werden -und zwar von jedem Planbetroffenen. Zwar ist die Beschwerde nur zulässig (§ 70 Abs. 2 StaRUG), wenn (i) dem Plan bereits im Abstimmungsverfahren widersprochen wurde, (ii) der Betreffende gegen den Plan gestimmt und (iii) er durch den Plan wesentlich schlechter gestellt wird als ohne Plan. Auf Antrag des Gläubigers ordnet das Gericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs an.

Der Fachverband Sanierungsberatung und Insolvenzberatung befürchtet, dass von dem Recht der sofortigen Beschwerde verstärkt Gebrauch gemacht werden wird. Im konkreten Fall drohen dann Gutachterschlachten zu der Frage, inwieweit der beschwerdeführende Gläubiger durch den Plan wesentlich schlechter gestellt wird. Es ist zu vermuten, dass in einem solchen Fall die sanierenden Wirkungen des Plans bis auf weiteres aufgeschoben bleiben. Ein für ein in aller Regeleilbedürftiges Verfahren unheilbarer Zustand.

Konkreter Vorschlag BDU: Ein kompletter Verzicht auf Rechtsmittelist nicht praktikabel. Mindestens aber sollte die aufschiebende Wirkung aus dem Gesetz herausgenommen werden.

 

4) Der geeignete Sanierungsberater kann Garant dafür sein, das Verfahren schädigende Zeitverzögerungen zu vermeiden

Gern. § 64 ff. StaRUG sind die Restrukturierungsgerichte, also in Person die Richter, verantwortlich für die Bestätigung des Restrukturierungsplans. Unter bestimmten Umständen, die in § 67 StaRUG genannt sind, hat das Gericht diese Bestätigung zu versagen. Insbesondere aber zu Beginn, also unmittelbar nach Einführung des StaRUG und sicher noch längere Zeit danach, werden die Richter mangels Ausbildung nicht in der Lage sein, die mit dieser Entscheidung verbundenen ggf. sehr komplexen betriebswirtschaftliehen Fragestellungen zu beantworten. Auch in zeitlicher Hinsicht wird es erhebliche Belastungen geben, trifft doch die Einführung des StaRUG auf die vermutlich nach Beendigung der Ausnahmesituation des COVInsAG zu erwartenden deutlich steigenden lnsolvenzanträge.

Es steht zu befürchten, dass die Richter in diesem Fall insbesondere auch dann, wenn überstimmte Gläubiger "Sturm laufen", einen Gutachter zur Begutachtung des Restrukturierungsplans bestellen. Die Folge ist eine erhebliche Verzögerung des Prozesses, denn die neu bestellte Person muss sich erst einarbeiten und mit den Fakten und handelnden Personen vertraut machen. Durch das dadurch eintretende Entscheidungsvakuum, während dessen z.B. keine nach dem Restrukturierungsplan erforderlichen Finanzierungen ausgezahlt werden, werden sinnvolle Restrukturierungen zu scheitern drohen.

Vor diesem Hintergrund ist es zumindest in Fällen, in denen streitige Auseinandersetzungen erwartet werden sinnvoll, den das Unternehmen begleitenden und geeigneten Sanierungsberater zum Restrukturierungsbeauftragten zu machen. Zur Eignung und zum Nachweis derselben verweisen wir auf unsere Stellungnahme mit konkreten Anforderungsprofilen aus dem November 2019. Keiner kennt das Unternehmen besser und kann mit seiner umfangreichen Kenntnis und Dokumentation der Restrukturierungsmaßnahmen und des dazugehörenden Zahlenwerks für die notwendige Transparenz Sorge tragen. Der geeignete Sanierungsberater ist zwar schon vor Eintritt in den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen vom Unternehmen beauftragt, jedoch ist es seit vielen Jahren in der deutschen Sanierungskultur angelegt, dass ihm die Aufgabe des neutralen Mediators und damit einer tragende Rolle im Restrukturierungsprozess zukommt. in einer Reihe von Insolvenzverfahren werden die Sanierungsberater als .Subunternehmer" von den Kanzleien für das Herstellen der Zahlentransparenz beauftragt. Sie sind in der Lage eigenständig auf valider Zahlenbasis die Moderation zwischen Gläubiger und Schuldner zu übernehmen.

Konkreter Vorschlag BDU: Der geeignete Sanierungsberater soll ausdrücklich bei dem für den Restrukturierungsbeauftragten vorgesehenen Personenkreis genannt werden.

 

5) Der Restrukturierungs- oder Sanierungsbeauftragte soll nicht Insolvenzverwalter werden können

§ 56 Ins0 soll um die Regelung ergänzt werden, dass der Restrukturierungs- oder Sanierungsbeauftragte nur mit Zustimmung des vorläufigen Gläubigerausschusses zum Insolvenzverwalter bestellt werden kann. Der Fachverband sieht die Gefahr einer erheblichen lnteressenkollision, die sich u.a. aus dem möglichen ..Vergütungspotential" eines späteren Insolvenzverwalters ergibt: Nicht bei allen, aber bei größeren und komplexen Unternehmenssanierungen wird es in der Regelso sein, dass die Vergütung eines Insolvenzverwalters nach lnsVV höher als die des Restrukturierungs- oder Stabilisierungsbeauftragten nach StaRUG ist. Allein die Möglichkeit. dass derartige Überlegungen eine Rolle spielen könnten, sind in hohem Maße schädlich für das Vertrauen der Beteiligten.

Und auch durch die ggf. nachträglich korrigierende Wirkung eines vorläufigen Gläubigerausschusses kann nicht vollständig bzw. allenfalls zu spät. nämlich wenn das Unternehmen den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen bereits wieder verlassen hat, die Interessenkollision ausgeschlossen werden.

Konkreter Vorschlag BDU: Die Person des Stabilisierungs- und Restrukturierungsbeauftragten soll ausdrücklich als zukünftiger Insolvenzverwalter ausgeschlossen werden.

 

 

Die Stellungnahme wurde am 2. Oktober 2020 vom Vorstand des Fachverband Sanierungs- und Insolvenzberatung des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater BDU e.V. im Umlaufverfahren verabschiedet.
 

 

Link zur Stellungnahme des BDU

 

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