Liebe Mandanten, Geschäftspartner und Interessenten,

die Konjunkturaussichten haben sich merklich eingetrübt. Sowohl in Deutschland als auch in der Eurozone ist mit negativen Wachstumsraten zu rechnen. Während die veröffentlichte Meinung für 2023 mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,4 % rechnet, sehen Andere die Entwicklung noch wesentlich pessimistischer. Die zweistellige Inflationsrate und mit ihr die sich abzeichnende Zinsentwicklung werden die Unternehmen vor neue schwierige Aufgaben stellen.

Auch wir haben bei einigen Mandaten eine rückläufige Entwicklung festgestellt. Investitionen in Bauvorhaben, Maschinen und Anlagen werden zurückgestellt—die Unternehmen versuchen sich auf die neue Situation einzustellen.

Die Unternehmenslenker müssen vor allen Dingen die Liquidität und die Rentabilität zeitnah beobachten, um rechtzeitig ausreichende Handlungsoptionen zur Hand zu haben.

In dieser Ausgabe befassen wir uns mit der seit längerem erwarteten Insolvenzwelle und damit, was man tun kann, um eine Krise abzumildern oder zu vermeiden. Wichtig wird zudem in Zukunft die Beschäftigung mit einem aussagefähigen Risikomanagement. Außerdem bewertet Herr Prof. Giersberg das Urteil des BGH zur Zahlungsunfähigkeit, welches für Unternehmer sehr bedeutsam werden kann.

Als ausgewiesene Experten in der Beratung bei Unternehmenskrisen und in der Kommunikation mit Kapitalgebern sind wir für Sie mit unseren Kooperationspartnern stets gesprächsbereit!

Wir informieren Sie in unserem Blog tagesaktuell und zeitnah über alle Neuerungen und Änderungen.
 


 

Insolvenz-Gefahr: Das Warten auf die angekündigte Pleitewelle geht weiter


von Johannes Müller

Geschäftsführer der Johannes Müller Wirtschaftsberatung (BDU)

 

 

Schon lange befürchten viele Wirtschaftsexperten eine Pleitewelle. Sowohl für Unternehmen als auch für Verbraucher. Aber wann kommt sie? Angesichts der aktuellen Zahlen drängt sich jetzt sogar die Frage auf: Kommt sie überhaupt?

Zahlen genießen eine besonders hohe Autorität und Priorität
Der Volksmund behauptet, Zahlen lügen nicht. Gerade in Zeiten von immer neuen Entwicklungen und allgegenwärtigen Fake News genießen Zahlen in der Öffentlichkeit eine besonders hohe Priorität und auch Autorität. Und bislang widersprachen die aktuell vorliegenden Zahlen eben den lauten Warnrufen der ewigen Mahner. So wurden im Vergleich zum August trotz der sich eintrübenden Konjunktur im September noch einmal rund ein Fünftel weniger Regelinsolvenzen beantragt.

Im Juli hatte es laut den endgültigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden (Destatis) insgesamt 1.154 beantragte Insolvenzen gegeben. Das sind 3,8 Prozent weniger Anträge als im Vorjahreszeitraum. Aber auch für den Oktober gibt es neue Zahlen von Destatis. Demnach ist jetzt eine erste Trendwende eingetreten, denn im Oktober ist die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen gegenüber dem September um insgesamt 18,4 Prozent gestiegen. Zum Vergleich: Im September sank sie gegenüber dem Vormonat noch um 20,6 Prozent.

Berücksichtigen sollten Sie bei diesen Zahlen, dass in den Statistiken immer nur Fälle erfasst werden, bei denen eine erste Entscheidung des Insolvenzgerichts vorliegt. Daher ist davon auszugehen, dass der tatsächliche Zeitpunkt der jeweiligen Insolvenzanträge meistens bereits zwei bis vier Monate davor erfolgten.

Creditreform: Viele Unternehmen zahlen ihre Rechnungen schon nicht mehr
Wie es jetzt in den nächsten Monaten weitergeht und sich die Zahlen entwickeln, darüber herrscht unter den Wirtschafts- und Marktexperten eigentlich keine große Uneinigkeit. Institutionen wie zum Beispiel die Bundesorganisation der Industrie- und Handelskammern (DIHK) oder das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle rechnen in den kommenden Wochen und Monaten aufgrund der Wirtschaftskrise mit deutlich steigenden Insolvenzen. Das deckt sich mit den Prognosen von anderen Organisationen, Institutionen und Verbänden.

Als besonders starke Insolvenztreiber gelten hierbei die steigenden Preise für Energie und auch Ressourcen sowie die Probleme in den Lieferketten. Laut der Wirtschaftsdatei Creditreform sind die Auswüchse dieser Problematiken bereits jetzt offensichtlich: Immer mehr Unternehmen zahlen ihre Rechnungen verspätet oder auch überhaupt nicht. Für Organisationen wie den Industrieverband BDI ist dies ein weiterer Hinweis darauf, dass eine Lawine von Konkursen auf Deutschland zurollt.

Auch das Amtsgericht München zählt zu denen, die immer wieder vor einer Pleitewelle in Deutschland vehement warnen. In einer entsprechenden Stellungnahme prognostizierte das Amtsgericht stark anwachsende Insolvenzzahlen im Winter. Als Gründe werden neben den bestehenden Lieferengpässen vor allem steigende Energiekosten und Zinsen angegeben. Das stelle die Unternehmen in Deutschland vor massive Herausforderungen.

Nur 7,5 Prozent der Unternehmen sehen sich aktuell in der Existenz bedroht
Negative Prognosen, Warnungen und auch Hinweise auf eine große Pleitewelle gibt es also mehr als genug. Das Problem dabei: Alle Befürchtungen und Ängste werden von den aktuellen Zahlen - trotz gestiegener Insolvenzahlen im Oktober - immer noch nicht in dem prognostizierten Ausmaß bestätigt. Ganz im Gegenteil: Die Unternehmenswelt in Deutschland zeigt sich gegenüber den steigenden Kosten, Lieferschwierigkeiten und einer kräftig abkühlenden Konjunktur (noch) weitaus robuster als von der Mehrzahl der Experten erwartet.

Hinzu kommt: Mit Ausnahme einzelner Branchen, wie zum Beispiel das Hotelgewerbe und der Einzelhandel, sehen sich die meisten Unternehmen selbst nicht akut in ihrer Existenz bedroht. Auf jeden Fall hat das eine Umfrage des ifo-Instituts unter insgesamt 9.000 Firmen ergeben. Lediglich 7,5 Prozent der befragten Unternehmen fürchten demzufolge um das Weiterbestehen ihrer Existenz. Das ist angesichts der aktuellen Lage ein erstaunlich niedriger Wert.

Die Einpreisung an einigen Märkten geht momentan eher von Eventualitäten aus
Nicht zuletzt die vergleichsweise niedrigen Zahlen zur Insolvenz sorgen hier anscheinend für Optimismus bei den Unternehmen in Deutschland. Die Autorität der Zahlen kann in diesem Fall aber trügerisch sein. Darauf deuten nicht nur die Ausfälle durch immer mehr unbezahlte Rechnungen hin, sondern auch die Situation an einzelnen Märkten. Gerade der Hochzins-Markt ist hier in den Fokus gerückt.

Denn die Kursverläufe zeigen klar, dass in diesem Sektor bereits eine Pleitewelle eingepreist ist, obwohl diese Deutschland - im Gegensatz zum Beispiel zu Österreich - noch gar nicht erfasst hat. Die Kurse deuten auf jeden Fall daraufhin, dass 40 Prozent aller Unternehmen, die Hochzins-Anleihen herausgeben, innerhalb der nächsten fünf Jahre pleitegehen. Das entspräche einer Ausfallquote von grob acht Prozent pro Jahr, was eher unrealistisch erscheint, aber dennoch die Basis für die aktuelle Einpreisung darstellt.
 

Näher an der Wahrheit erscheinen hier auf jeden Fall die Prognosen von Fitch, Moody's und anderen Ratingagenturen, die mit Ausfallquoten von rund drei Prozent in den kommenden zwölf bis 15 Monaten rechnen. Hier herrscht also Uneinigkeit: Der Hochzins-Markt rechnet fest mit einer Insolvenzwelle, die Ratingagenturen demgegenüber nicht.

Nicht immer Insolvenz: Viele Firmen entscheiden sich für eine freiwillige Schließung
Allerdings - und das sollte bei der Einschätzung der Zahlen ebenfalls immer berücksichtigt werden - lügen die Zahlen zur Insolvenz zwar nicht direkt, aber sie erzählen dann eben doch nur die halbe Wahrheit. Denn, was in der Insolvenz-Statistik nicht einfließt, sind die Unternehmen, die bereits vor einer möglichen Insolvenz freiwillig die Türen schließen. Dies geschieht meistens dann, wenn ein Unternehmen keine wirkliche Chance mehr auf eine erfolgreiche Zukunft offenbart und ein kostspieliges Insolvenzverfahren vermeiden möchte. Stattdessen werden die Geschäfte dann bereits vorher abgewickelt und die Gläubiger ausgezahlt. Die Anzahl von freiwilligen Schließungen ist schon in normalen Zeiten weitaus höher als die Zahl der Insolvenzen. In Krisenzeiten steigt der Anteil dann noch einmal deutlich. So gesehen, bildet eine Insolvenz-Statistik immer nur die Spitze des Eisbergs ab.

Darum kann die angekündigte Pleitewelle auch komplett ausbleiben
Es fällt aber auf, dass die Grundstimmung bei Marktexperten, Markt-Insidern oder auch Analysten weiterhin eher negativ geprägt bleibt. Auch die aktuelleren Studien und Prognosen schätzen die Gefahr einer Pleitewelle trotz der vor Oktober fortwährend vergleichsweise niedrigen Insolvenzzahlen als hoch bis sehr hoch ein. Das belegen zum Beispiel die erst kürzlich vorgenommene Lage-Beurteilungen von Creditreform und Allianz Trade. Allerdings ist es auch möglich, dass sie Pleitewelle schon an Kraft verliert, bevor sie überhaupt in Deutschland angekommen ist. Staatliche Maßnahmen und politische Entscheidungen können hier das Zünglein an der Waage spielen.

Ein erneutes Aussetzen der Insolvenzantragspflicht bietet neue Chancen
Wird zum Beispiel die Insolvenzantragspflicht erneut von der Ampelkoalition ausgesetzt, wird dies die Insolvenzen weiterhin niedrig halten. Die Aussetzung wird aktuell aber erst diskutiert und ist noch nicht verabschiedet. Die Chancen stehen aber gut, dass es zu einer weiteren Aussetzung der Insolvenzantragspflicht tatsächlich kommt. Ein solcher Aufschub würde zudem auch noch in anderer Hinsicht für Entspannung sorgen. Denn er verschafft den Unternehmen mehr Zeit, die eigenen Kassen wieder zu füllen. Das ist gerade angesichts der Tatsache, dass die Rohstoffpreise möglicherweise wieder fallen, ein wichtiger Erfolgsfaktor. Denn die Auftragsbücher sind bei den meisten Unternehmen gut gefüllt. Es liegt mehr an nicht funktionierenden Lieferketten und den steigenden Energiekosten, das finanzielle Notsituationen eintreten. Durch ein weiteres Zeitpolster könnten sich etliche Unternehmen mit aktueller Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung wieder besser aufstellen.

Negativer Aspekt: Zombieunternehmen bleiben am Markt präsent
Das ist aber nur eine Seite der Medaille. Betrachtet man die Kehrseite, werden auch die Nachteile einer Aussetzung der Insolvenzantragspflicht offensichtlich. Denn durch den temporären Zeitaufschub werden auch die wirtschaftlich eigentlich gar nicht mehr tragfähigen Firmen weiterhin am Markt gehalten. Diese Kandidaten, die sich durch den Marktwert im Verhältnis zum Buchwert definieren, werden als Zombieunternehmen bezeichnet. In diesem Fall verzögert ein temporärer Aufschub die ansonsten auftretende Insolvenz-Welle und damit auch Rückzahlungen.

Das hat für die gesamte Wirtschaft fatale Folgen, da die Zombies dadurch den gesunden Unternehmen ihre Ressourcen entziehen. So fehlt es dann auf einmal in einer ganzen Branche an Lieferanten und Kunden. Im schlimmsten Fall führt das dazu, dass ganze Industrien wegbrechen. Zudem weisen Zombieunternehmen ein hohes Rückfallrisiko auf. Das hat oftmals zur Folge, dass die Zombies Produktivität zurückhalten. In der Praxis sieht das dann so aus, dass sie Investitionen, Kredite und Fachkräfte binden, die in anderen Firmen weitaus produktiver und damit schlichtweg besser eingesetzt werden könnten.

Aber: Stellt die neue Insolvenzantragsregel wirklich die bessere Lösung dar?
Die Bundesregierung diskutiert im Hinblick auf die Insolvenz-Gefahr auch an anderer Stelle über neue Regelungen. Um Unternehmen in der Energiekrise helfend unter die Arme zu greifen, will die Bundesregierung die Regeln des Insolvenzrechts teilweise lockern. Diese neuen Regelungen betreffen alle Insolvenzanträge, die aufgrund einer Überschuldung gestellt werden. Zum einen wurde hier der Prognosezeitraum der Überschuldungsprüfung auf vier Monate gesenkt und zum anderen sind ab jetzt Firmen von der Antragspflicht entbunden, sofern der Fortbestand des Unternehmens über die nächsten vier Monate hinweg aus hinreichenden Gründen wahrscheinlich erscheint. Bis Ende 2023 soll diese Ausnahmeregelung erst einmal Bestand haben.

Der Anteil der Insolvenzen wegen Zahlungsunfähigkeit liegt bei über 95 Prozent
Ob diese gut gemeinte Anpassung letztendlich aber den gewünschten Erfolg bringt, ist allerdings fraglich. Denn diese Regeländerung bezieht sich ausschließlich auf Unternehmen, die Insolvenz aufgrund einer Überschuldung anmelden müssen. In der Praxis passiert das aber nicht häufig. Laut aktuellen Statistiken kommt es viel öfter durch Zahlungsunfähigkeit zu einer Insolvenz. Bestätigt wird dies durch die Daten des Statistischen Bundesamts Baden-Württemberg. Demnach meldeten in der jüngeren Vergangenheit von 1.800 Unternehmen insgesamt 97 Prozent Insolvenz aufgrund von Zahlungsunfähigkeit an. Eine Änderung des Insolvenzrechts in dieser Form kann daher kaum eine wirklich spürbare Wirkung entfachen.

Krisenmanagement unterstützt durch die Johannes Müller Wirtschaftsberatung
Krisenmanagement bedeutet bei der Johannes Müller Wirtschaftsberatung in erster Linie Krisenvermeidung und frühzeitige Krisenprävention. Ist ein Unternehmen jedoch bereits in ernsthafter Gefahr, die Erfolgs- oder Liquiditätskrise ist eingetreten und die Insolvenz droht, dann ist schnelles Handeln gefragt. Wir bringen gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern eine jahrelange fundierte Erfahrung in der Unternehmenskrise mit. Nutzen Sie die Möglichkeit zu einem unverbindlichen Gespräch.
 

 

Resilienz – mit optimierter Widerstandskraft alle Krisensituationen meistern


von Carsten Müller

Geschäftsführer der Johannes Müller Wirtschaftsberatung (BDU)

 

Erst die Corona-Krise, dann steigende Kosten und Preise, nicht funktionierende Lieferketten, steigende Inflationszahlen und jetzt der Krieg in der Ukraine und eine drohende Rezession – die Herausforderungen für Unternehmen wachsen seit Jahren ganz unabhängig von Branche und Größe stetig. Der Krisenmodus ist nahezu allgegenwärtig. Um sich in strukturierter Form auf Wirtschafts- und Finanzkrisen vorzubereiten, rückt die Unternehmensresilienz in den Blickpunkt.

Dieser Begriff steht im Grunde genommen für die Widerstandskraft von Unternehmen gegenüber Veränderungen sowie negativen Einflüssen. Anders ausgedrückt: Über die Resilienz werden Features und Szenarien geschaffen, wie Ihr Unternehmen sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis mit herausfordernden Veränderungen umgeht. Dies geht in der Regel einher mit einem unternehmensspezifischen Risk Management.

Die Unternehmensresilienz steigern und dauerhaft etablieren
Es gibt mittlerweile ein breites Spektrum an hochkomplexen und -funktionalen Modellen, die das Risikomanagement und die Resilienz nachhaltig durch Frühwarnsysteme und ähnliche Features unterstützen. Die Möglichkeiten einer entsprechenden Modellierung reichen hier von der Integration unterschiedlicher Navigatoren über das Verwenden unzähliger Radare bis hin zur Nutzung spezifischer ISO-Normen. Aufgrund unserer Praxiserfahrung über mehrere Jahrzehnte hinweg wissen wir von der Johannes Müller Wirtschaftsberatung ganz genau, auf welche Erfolgsfaktoren es hierbei ankommt. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Fähigkeit, die richtigen Fragen im jeweiligen Themensegment zu stellen.

Resilienz – das sind die fünf wichtigsten Erfolgsfaktoren

  • Erfolgsfaktor 1: Die potenziellen Game Changer identifizieren und beurteilen
    Die Führungskräfte in einem Unternehmen sollten sich immer auch selbst intensiv mit dem Thema Resilienz befassen. Dabei müssen sie die Bereitschaft aufweisen, den Aufbau von Resilienz ganz bewusst durch das Investieren von Ressourcen zu fördern. Die Auseinandersetzung mit künftigen Herausforderungen und Risiken stellt in diesem Zusammenhang eine unerlässliche Komponente dar. Dies kann zum Beispiel im Rahmen eines Resilienztages im eigenen Unternehmen oder auch durch ein Brainstorming mit externen Experten erfolgen. Die wichtigste Frage für das Führungsteam lautet dabei: Welche potenziellen Game Changer bereiten mir die größten Sorgen?
  • Erfolgsfaktor 2: Die Erwartungen der Kunden übertreffen
    Ein wesentlicher Aspekt auf dem Weg zu mehr Resilienz stellt die systematische Erfassung von Wettbewerbsumfeld und Kundenwünschen dar. Auf diese Weise können Sie die Entwicklungen identifizieren, die Chancen bieten oder als eine potenzielle Gefahr angesehen werden müssen. Die durch die gezielte Erfassung generierte Transparenz funktioniert hier quasi als Frühwarnsystem. Zudem hilft ein guter Überblick, fundierte und zukunftsfähige Entscheidungen für das künftige Produkt- und Leistungsangebot Ihres Unternehmens zu treffen. Inhaltlich spiegelt sich das in dieser Fragestellung wider: Wie übertreffe ich auch in der Zukunft die Erwartungen meiner Kunden?
  • Erfolgsfaktor 3: Die eigene Position und Performance reflektieren
    Die stetige Selbstreflexion als laufender Prozess stellt einen wesentlichen Eckpfeiler dar, um die Resilienz nachhaltig zu steigern. Dabei geht es in erster Linie darum, permanent zu reflektieren, wo das eigene Unternehmen im Markt steht, in welcher Form es sich vom Wettbewerb bzw. von der Konkurrenz abhebt und auf welche Kernkompetenzen man in Zukunft bauen möchte. Durch die Beantwortung dieser Fragen erhält Ihr Unternehmen das Gerüst, um neue Stärken aufzubauen. Dadurch wiederum vervielfachen sich die Optionen im Hinblick auf die Unternehmensentwicklung. Das steigert deutlich die Widerstandsfähigkeit Ihres Unternehmens. Es bedeutet aber auch, sich auf bestimmte Kernaspekte zu fokussieren und demgegenüber auch manchmal auf Bewährtes zu verzichten. Die Konzentration auf wenige Initiativen steht hierbei im Fokus. Als Kernfrage lässt sich hier formulieren: Auf welche Chancen verzichtet mein Unternehmen bewusst, um eine wirksame Bündelung von Kräften und Ressourcen zu erreichen?
  • Erfolgsfaktor 4: Die Kapitaldienstfähigkeit jederzeit gewährleisten
    Eine nachhaltige Kapitaldienstfähigkeit sollte als oberstes Ziel ausgegeben werden. Denn eine nachhaltige Kapitaldienstfähigkeit bildet das Fundament eines resilienten Unternehmens. Dabei sollten Sie immer dafür sorgen, dass eine positive mittelfristige Cash-Perspektive erreicht wird. Gerade im Hinblick auf den Verschuldungsgrad sowie auf zukünftige Ausschüttungen an die Shareholder ist die finanzielle Sicherheit von großer Bedeutung. Was aber passiert, wenn Ihr Unternehmen ohne externe Cash-Zuflüsse auskommen muss? Um in einem solchen Fall das Überleben des Unternehmens zu gewährleisten, ist es sinnvoll, zusätzlich eine Notfall-Kriegskasse anzulegen. Ein gutes Management stellt sich diesbezüglich die entscheidende Frage: Wie kann ich die Kapitaldienstfähigkeit meines Unternehmens nachhaltig steigern?
  • Erfolgsfaktor 5: Eine Unternehmenskultur der kreativen Reibung erzeugen
    Auch die eigene Unternehmenskultur stellt für ein erfolgreiches Etablieren von mehr Resilienz einen wichtigen Faktor dar. Diesbezüglich lassen sich gleich mehrere Ziele definieren. So sollte Vertrauen und Fehlerakzeptanz geschaffen und Offenheit für Veränderungen vermittelt werden. Zudem sollte das Management die cross-funktionale Zusammenarbeit fördern und optimieren. Entscheidend für eine nachhaltige Optimierung der Unternehmensresilienz ist dabei das passende Mindset Ihrer Mitarbeiter. Diese müssen den Willen aufweisen und verinnerlichen, sich und ebenfalls die gesamte Organisation kontinuierlich weiterzuentwickeln. Dazu gehört auch, frühere Erfolgsrezepte kritisch in Frage zu stellen. Diese Aspekte können durch diese Frage abgedeckt werden: Wie kann ich in meinem Unternehmen eine Kultur der kreativen Reibung erzeugen?


 

 

Umfassende Liquiditätsplanung und ein gutes Risikomanagement als starker Schutzwall gegen die Krise


von Carsten Müller

Geschäftsführer der Johannes Müller Wirtschaftsberatung (BDU)

 

Nach wie vor besteht in Deutschland eine spür- und greifbare Insolvenz-Gefahr insbesondere für mittelständische Unternehmen. Auch wenn die Insolvenz-Zahlen längst noch nicht durch die Decke gehen, musste schon das eine oder andere Unternehmen in der Krise die Segel streichen.

Meistens traf es dabei die kleineren und mittleren Betriebe, also den Mittelstand. Dafür reicht ein Blick auf die Passiva. Demnach gab es in den letzten Monaten eigentlich nur eine aufsehenerregende Insolvenz: die der Kremsmüller Industrieanlagenbau KG. Die Passiva betragen in diesem Fall rund 135 Millionen Euro.

Steigende Energiekosten bedrohen die Existenz vieler Unternehmen
Das ist aber auch der einzige Fall in dieser Größenordnung. Alle anderen Insolvenzen der vergangenen Wochen und Monate weisen einen deutlich niedrigeren Passiva-Rahmen auf. So steht zum Beispiel Level Europa mit knapp über zwölf Millionen Euro und die IMS Cargo Austria GmbH mit 3,17 Millionen Euro in der Kreide. Auch der bekannte Toilettenpapierhersteller Hakle (Passiva: knapp 30 Millionen Euro) reichte fast gleichzeitig mit dem Schuhhändler Görtz bereits einen Insolvenzantrag ein.

Bezeichnend dabei: Obwohl es sich um zwei völlig verschiedene Branchen handelt, machen beide Unternehmen in erster Linie die gestiegenen Energiekosten für die Pleite verantwortlich. Anfang September meldete dann auch der im oberfränkischem Kronach ansässige Automobilzulieferer Dr. Schneider für seine Gesellschaften in Deutschland Insolvenz an. Auch wenn es diese Beispiele nicht aufzeigen, aber am meisten betroffen von Krise und Insolvenzen sind bislang vor allem das Baugewerbe und der Handel.

Fast alle Unternehmen befinden sich bereits im Krisenmodus
Die Herausforderungen für Unternehmen wachsen durch die allgegenwärtige Krise immer weiter an. Nahezu jedes Unternehmen arbeitet bereits im Krisenmodus. Der Blick auf die nächsten Monate fällt dadurch vergleichsweise düster aus. Es wird in den nächsten Wochen und Monaten zu vermehrten Insolvenzen kommen. In diesem Punkt sind sich alle renommierten Organisationen und Institutionen nahezu geschlossen einig. Der Oktober weist bereits wieder höhere Insolvenzzahlen auf.

Wahrscheinlich erreichen die Insolvenzen bereits im November wieder den vor der Corona-Pandemie gültigen Stand. Insgesamt erwarten die Experten vom IWH oder auch vom Industrieverband BDI eine Steigerung der Insolvenzen zwischen zwölf und 14 Prozent gegenüber dem Jahr 2021. Bis zur Mitte 2022 hatten die Zahlen noch unter dem Vorjahresniveau gelegen. Laut des Industrieverbandes BDI geht es für rund ein Drittel der mittelständischen Unternehmen in Deutschland angesichts der gestiegenen Preise für Rohstoffe und vor allem für Energie inzwischen um die eigene Existenz.
 


Eine sorgfältige Liquiditätsplanung und ein gutes Finanzwarnsystem schützt Ihr Unternehmen
In Anbetracht der aktuellen Krise ist es für Unternehmen jetzt eminent wichtig, die eigene Liquidität detailliert und gezielt zu planen. Denn die Gefahr in Zahlungsschwierigkeiten oder sogar in eine Zahlungsunfähigkeit zu rutschen, ist nicht nur vorhanden, sondern mittlerweile auch vergleichsweise groß. Um hier mit einer durchdachten Liquiditätsplanung gegenzusteuern, sollten Sie ein gutes Finanzwarnsystem in Ihr Unternehmen implementieren.

Dadurch erhalten Sie immer frühzeitig entsprechende Signale, wenn es finanziell an einer Stelle knapp wird. Dieses frühzeitige Erkennen von Problemfeldern und Schwachpunkten gibt Ihnen die Möglichkeit, rechtzeitig genau die Maßnahmen einzuleiten, die in der jeweiligen Situation notwendig sind. Typische Gegenmaßnahmen im Rahmen der Innenfinanzierung sind zum Beispiel das Anpassen der Zahlungsziele oder ein verschärftes Forderungsmanagement.

Die Erfahrung zeigt allerdings, dass es häufig nicht reicht, sich alleine auf die Innenfinanzierung zu verlassen. Daher sollten Sie auch immer die Möglichkeiten der Liquiditätsbeschaffung durch die Außenfinanzierung im Blick haben. Dabei stehen allerdings Alternativlösungen im Fokus.

Für die Liquiditätsbeschaffung stehen viele verschiedene Optionen zur Verfügung
Denn der klassische Gang zur Bank bzw. zu einem Kreditinstitut ist mittlerweile steinig und mühsam. Als Unternehmen in der Krise bekommen Sie aktuell nur dann weitere Mittel, wenn Sie positive Fortführungsprognosen auf Basis von detaillierten Gutachten vorlegen können. Im Gegensatz zu den Hoch-Zeiten der Corona-Pandemie übernimmt der Staat jetzt keine Risiken mehr. Dadurch agieren die Banken weitaus kritischer bei einem Kreditantrag. Selbst wenn Sie alle verlangten Unterlagen zur Verfügung stellen, ist das noch lange nicht als Freifahrtschein zu interpretieren.
Außerdem erfordert die gesamte Prozedur von der Abwicklung her viel Zeit und Aufwand. Sie sollten sich daher auch mit Kredit- und Finanzierungsoptionen fernab der herkömmlichen Bankenkredite befassen. Eine mögliche Option stellt zum Beispiel häufig der Verkauf von Firmenimmobilien oder auch von nicht genutzten Grundstücken dar. Interessant als alternative Finanzierungsmöglichkeiten sind überdies etwa Sale-and-lease-back-Transaktionen oder so bezeichnete Debt-Fonds.

Liquiditätsplanung und Risk Management als entscheidende Erfolgsfaktoren
Die Liquiditätsplanung und -beschaffung sollte dabei bestenfalls mit einem umfassenden Risikomanagement einhergehen. Das hilft im Hinblick auf eine Krise nicht nur präventiv, sondern befasst sich auch immer mit der Möglichkeit, eine gezielte Sanierung durch eine Insolvenz in Eigenverantwortung zu realisieren. Gerade dem Zeitpunkt für eine solche Entscheidung kommt hier eine große Bedeutung zu. Verpassen Sie die gesetzlich vorgeschriebenen Fristen, machen Sie sich schlimmstenfalls der Insolvenzverschleppung schuldig. Die richtige Planung und Vorbereitung im Rahmen eines Risk Managements ist daher unabdingbar.

Gezieltes Risikomanagement - aktuell wertvoller denn je
Sie sollten den aktuell noch moderaten Zahlen nicht blindlings trauen. Corona, Inflation, Energiekrise und nicht zuletzt die Folgen des Ukraine-Kriegs - es gibt enorme Herausforderungen, die Ihr Unternehmen in diesen sowohl stürmischen als auch unsicheren Zeiten bewältigen muss. Um dabei das Insolvenzrisiko zu reduzieren und die Existenz Ihres Unternehmens zu sichern, benötigen Sie zwingend ein funktionierendes Risikomanagement.

Dadurch können Sie Unternehmensrisiko und Insolvenzwahrscheinlichkeit senken, was gleichzeitig die Kapitalkosten reduziert sowie die Unternehmensbewertung bzw. den Unternehmenswert positiv beeinflusst. Zudem ist ein strategisch gezieltes Risk Management auch wichtig, um die Kosten der Risikobewältigung möglichst gering zu halten und alle gesetzlichen Vorgaben sicher einzuhalten.
 

 

So reduzieren wir von der Johannes Müller Wirtschaftsberatung Ihr Insolvenzrisiko
Ein umfassendes Risikomanagement zählt seit jeher zu unseren Kernkompetenzen. Eingebunden als wichtiger Bestandteil eines wertorientierten Unternehmenssteuerungssystems unterstützen wir Sie mit unseren Maßnahmen und Methoden, durch ein individuell gezielt ausgerichtetes Risk Management und eine fallspezifische Liquiditätsplanung die Grundlage für fundierte unternehmerische Entscheidungen zu schaffen.

Auf der Agenda ganz oben stehen dabei vor allem unternehmensspezifische Risikoanalysen zur Beurteilung von Handlungsoptionen, die Optimierung des Ertrag-Risiko-Profils, das Herabsetzen des Insolvenzrisikos und das Realisieren einer akzeptablen Ertragsvolatilität. Ein gutes Risikomanagement befasst sich dabei auch immer genau mit den Risiken, die Planabweichungen in einem Unternehmen auslösen könnten.

Besonders bedeutend sind dabei zum Beispiel Markt- und Ausfallrisiken, strategische sowie operationelle Risiken und nicht zuletzt Compliance Risiken. Wir von der Johannes Müller Wirtschaftsberatung schaffen die Voraussetzungen dafür, dass die prognostizierte Pleitewelle - wenn sie denn tatsächlich kommt - an Ihrem Unternehmen vorbeirauscht.
 

Zahlungsunfähigkeitsprüfung nach dem Urteil des BGH vom 22. Juni 2022


von Prof. Dr. Karl-W. Giersberg

Kooperationspartner der Johannes Müller Wirtschaftsberatung (BDU)

 

Der II. Senat am Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 28.06.2022 (BGH-Urteil II ZR 112/21) die Möglichkeiten zur retrograden Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit erweitert, aber gleichzeitig auch neue Fragen aufgeworfen und somit die Unsicherheit erhöht.

Ein wichtiges Thema in der aktuellen wirtschaftlichen Lage
Wie in der letzten Ausgabe „Informationen aus der Beraterpraxis“ versprochen, veröffentlichen wir hier eine ausführliche Stellungnahme unseres Sanierungsexperten, Prof. Dr. Karl-W. Giersberg.

Ein Verstoß gegen die Antragspflicht in Folge von Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) kann bei haftungsbeschränkten Unternehmen erhebliche zivil- als auch strafrechtliche Konsequenzen auslösen. Auftraggeber für eine retrograde Insolvenzreifeprüfung sind daher oftmals die Insolvenzverwalter oder die Staatsanwaltschaften.

Mit seinem Urteilen vom 24.05.2005 und vom 12.10.2006 hat der IX. Senates des BGH die Berechnung zur Zahlungsunfähigkeit präzisiert.1 Von einer Zahlungsunfähigkeit ist regelmäßig auszugehen, wenn die innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners 10 Prozent oder mehr beträgt. Auch dabei hat der BGH schon eine Öffnungsklausel eingefügt „….sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist“.2 Mit dem BGH-Urteil vom 19. Dezember 2017 hat der II. Senat auch für die retrograde Ermittlung angewandte zweistufige Verfahren weiter adjustiert.3

Das zweistufige Verfahren, bestehend aus einer Stichtagsaufnahme (Liquiditätsbilanz), i.e. das Verhältnis von Aktiva I zu Passiva I und einem prospektiven Teil (Finanzplan)4, i.e. das Verhältnis von Aktiva II zu Passiva II, hat sich m. E. durchaus bewährt und lässt sich ohne größere Schwierigkeiten auch retrograd anwenden. Falls das Verhältnis der gesamten Aktiva zu den gesamten Passiva weniger als 90 Prozent beträgt, wird Zahlungsunfähigkeit angenommen.

Der BGH hat schon mehrfach darauf hingewiesen, dass neben diesem Verfahren auch andere Verfahren zur Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit zulässig sind, wobei sich dann zwangsläufig die Frage ergibt, welches Verfahren superior ist.

In seinem Urteil vom 28.06.2022 vertritt der II. Senat des BGH die Auffassung, dass nichts dagegenspricht, dass zur Darlegung der Zahlungsunfähigkeit mehrere tagesgenaue Liquiditätsstatus in aussagekräftiger Anzahl aufgestellt werden können. Weist der Liquiditätsstatus eine erhebliche Unterdeckung aus und kann die Liquiditätslücke an keinem der im Prognosezeitraum liegenden bilanzierten Tage die Liquiditätslücke in relevanter Weise geschlossen werden, dann liegt Zahlungsunfähigkeit vor.5
Unklar ist, was der BGH mit einem Liquiditätsstatus meint, da ein Status die Lage, die Situation oder den Zustand6 beschreibt. Nach Auffassung von Hermanns umfasst das neben der Liquiditätsbilanz auch eine auf den Stichtag folgende taggenaue Aufstellung der tatsächlichen Ein- und Auszahlungen für einen Zeitraum von drei Wochen.7

Im Unterschied zur bisherigen Auslegung sah der BGH von der Notwendigkeit ab, eine Hochrechnung der Liquidität innerhalb der dem Stichtag folgenden drei Wochen zu erstellen, weil der Kläger die Abgrenzung zur Zahlungsstockung nicht anhand einer Liquiditätsbilanz vorgenommen hat, sondern unter Darlegung der in den dem Stichtag folgenden drei Wochen vorhandenen Liquidität.8

Damit widerspricht der BGH seiner bisherigen Rechtsauffassung und stellt auf die tatsächlich vorhandene bzw. realisierte und nicht auf die zu erwartende Liquidität ab. Somit besteht die große Gefahr, das statische Betrachtungen mehr Anwendung finden. Es ist zu vermuten, dass es zu mehr Anfechtungen kommen wird, da der Nachweis der Zahlungsunfähigkeit künftig einfacher zu führen sein wird.9

Hauptsächlich wird aber verkannt, dass eine (erhebliche) Differenz zwischen erwarteten und tatsächlich eingetretenen Zahlungen bestehen kann. Insbesondere im Anlagegeschäft tätige Unternehmen erwarten oftmals größere Einzelzahlungen, deren Ausbleiben von erheblicher Bedeutung für die Liquiditätslage sind. Aber auch das Bekanntwerden einer Krisensituation hat für das betroffene Unternehmen erhebliche Liquiditätsauswirkungen. Gerade bei Einzelhändlern gehen die Umsätze bekanntlich stramm nach Süden, da Kunden wegen fehlender Garantieleistungen oder der Hoffnung auf günstigere Preise ihre Käufe reduzieren oder verschieben.
 

 

Ein Zuwarten ist immer mit Erwartungen bzw. Planwerten verbunden. Planungen, insbesondere wenn sie sich auf die Zukunft beziehen, sind immer mit Unsicherheiten verbunden, d.h. es gibt Abweichungen, wenn Erwartungen nicht eintreten. Es ist m. E. zwingend notwendig auch retrograd eine Abschätzung vorzunehmen, welche Zahlungen zu erwarten gewesen wären. Eine nur auf Ist-Zahlen basierende retrospektive Prüfung10 führt zu falschen Ergebnissen, zumal die retrograde Insolvenzreifeprüfung nur in den nicht erfolgreichen Fällen zur Anwendung kommt.

Diese retrograd zu bestimmen ist naturgemäß schwierig. Hilfsweise können die zu erwarteten Einzahlungen aus dem Umsatz und die nicht regelmäßig wiederkehrende Auszahlungen aus dem Materialaufwand abgeleitet werden.

Zudem stellt sich die Frage, ob ein Stichtag frei gewählt werden kann, da allein mit der Auswahl des Stichtages eine gewisse Ergebnisausrichtung erzielt werden kann.

Es ist sicherlich keine grundlegend neue Erkenntnis, dass es in Unternehmen Tage gibt, an denen die Liquidität turnusgemäß knapper bemessen ist, i.e. an den Steuerterminen bzw. Lohn und Gehaltszahlungen. Zwar reduzieren sich durch die Zahlungen auch die fälligen Verbindlichkeiten11, gleichwohl reduzieren sich in den Tagen um die Zahlungstermine auch die eigenen Zahlungseingänge, da auch die Debitoren mit knapperen Mitteln auskommen müssen.

In der InsO ist nicht ausdrücklich geregelt, welcher Zeitpunkt der Prüfungsstichtag sein soll. 12
Angesichts der besonderen Bedeutung einer Zahlungsunfähigkeit für das Unternehmen sollten die Grundlagen der rechnerischen Ermittlung klar und eindeutig sein. Das Ergebnis muss sich aber auch leicht ermitteln lassen. Dies ist aufgrund der fehlenden Kongruenz der handelsrechtlichen Buchhaltung mit den insolvenzrechtlichen Anforderungen nicht der Fall.13

Zudem wird in den Unternehmen nicht immer zeitnah gebucht, insbesondere bei Unternehmen, die ihre Finanzbuchhaltung, z.B. an den Steuerberater, ausgelagert haben.14

Bei einer (retrograden) Prüfung ist das Abstellen auf den Monatsabschluss zielführend, da dann alle relevanten Geschäftsvorfälle verbucht sein sollten.15 Darauf aufbauend ist dann die Drei-Wochen-Vorschau zu erstellen.16

Als Fazit lässt sich festhalten, dass der II. Senat des BGH mit seinem Urteil mehr offene Fragen als Antworten geschaffen hat. Ein Verzicht auf die planerische Komponente bei der (retrograden) Insolvenzreifeprüfung dürfte gerade bei den Unternehmen die ernsthaft um eine Weiterführung kämpfen, zu erheblichen Nachteilen führen.

 

 

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1BGH, Urteil vom 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04 und vom 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03.
2BGH, Urteil vom 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134, 145; Beschluss vom 27. Juli 2006 - IX ZB 204/04, BGHZ 169, 17 Rn. 16; Urteil vom 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222 Rn. 27 f.; Urteil vom 21. Juni 2007 - IX ZR 231/04, ZIP 2007, 1469 Rn. 37; Urteil vom 6. Dezember 2012 - IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 Rn. 19.
3BGH-Urteil vom 19. Dezember 2017 - II ZR 88/16.
4BGH, Urteil vom 28. April 2022 - IX ZR 48/21, WM 2022, 1287 Rn. 18.
5Vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2022, II ZR 112 / 21, Rn. 14.
6Vgl. www.duden.de/rechtschreibung/Status, Abfrage vom 15.09.2022.
7Vgl. Hermanns, M., Frenking, C., Zur retrograden Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit, in: INDat Report 07_2022, S. 52. In Verbindung mit BGH, Urteil vom 28. April 2022 - IX ZR 48/21, WM 2022, 1287 Rn. 18.
8Vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2022, II ZR 112 / 21, Rn. 14
9Vgl. Steffan, B., Was gibt es Neues zur Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit? in: KSI 5 / 22, S. 231. Er weist zudem darauf hin, dass damit auch die 10 %-Grenze viel früher greift, weil Nenner und Zähler durch den Volumeneffekt der Liquiditätsbilanz nicht mehr aufgebläht werden.
10Wie u.a. von Gutmann gefordert. Vgl. Gutmann, T., Die rechnerische Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit, in: NZI, 2021, 480. FG München, Beschluss vom 4. Mai 2010 – 13 V 540/10 –, Rn. 11, juris; ebenso Verband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID), Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit, Stand: 22. Juni 2022, S. 11.

11Der vorher bereits erwähnte Volumeneffekt bleibt jedoch bestehen.
12Gutmann, T., Die rechnerische Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit, in: NZI, 2021, 478.
13Gutmann, T., Die rechnerische Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit, in: NZI, 2021, 475.
14Zu den Buchhaltungspflichten sei auf die Ausführungen von Gutmann verwiesen, vgl.: Gutmann, T., Die rechnerische Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit, in: NZI, 2021, 476 und 478.
15vgl. Staufenbiel, P., Hoffmann, V., Die Ermittlung des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit – Teil 3, in: ZinsO 16/2008, S. 892.
16Der VID hat hierzu einen vernünftigen Vorschlag gemacht. Er schlägt hierzu ein dreistufiges Verfahren vor, das de facto die Prüfung auf das Monatsende legt. Vgl.: VID Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands, VID-Empfehlungen zum Insolvenzrecht – Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit, Stand 22.06.2022, S. 7 ff..

 


 

Einladung zur Online-Informationsveranstaltung am

Dienstag, 06. Dezember 2022
9:00-10:30 Uhr

Zoom-Meeting | Die Einwahldaten erhalten Sie nach erfolgter Anmeldung.
 

„Stolpersteine der Digitalisierung“

In dieser Seminarreihe zeigen wir in insgesamt fünf kostenlosen Webinaren auf, wie Sie bekannte Stolpersteine vermeiden und die Digitalisierung in Ihrem Unternehmen zum Erfolgsfaktor werden lassen. Wir laden Sie herzlich zu dem vierten Workshop „Datenschutz, neue Arbeitswelten und Fokussierung auf das Wesentliche - Einflussfaktoren auf den Erfolg Ihrer Digitalisierungsstrategie" ein.



Ihr Referent:

Matthias Jasinski

Kooperationspartner der Johannes Müller Wirtschaftsberatung (BDU)

Den Datenschutz mit in die Digitalisierungsprozesse einbeziehen

Auf welcher Grundlage werden die zu verarbeitenden Daten erhoben und ist diese Erhebung zur Verarbeitung rechtmäßig? An wen werden die Daten gegebenenfalls weitergegeben? Sind die Geschäftsprozesse ordnungsgemäß dokumentiert und DSGVO-Konform?
Es gibt viele Dinge, den Datenschutz betreffend, über die es sich im Vorfeld lohnt, Gedanken zu machen, bevor der Prozess implementiert ist.

Dauer: 15 Minuten



Ihr Referentin:

Christine Sparkuhl

Kooperationspartnerin derJohannes Müller Wirtschaftsberatung (BDU)

Auswahl der richtigen Geschäftsprozesse für die Digitalisierung

Der Auswahl der richtigen Geschäftsprozesse für die Digitalisierung kommt in den Digitalisierungsprojekten eine hohe Bedeutung zu. Wichtig ist es, durchgängige Geschäftsprozesse zu schaffen, damit jederzeit Klarheit darüber besteht, welcher Auftrag sich in welchem Status befindet. Ein großes Potential für Einsparungen liegt dabei in der Abschaffung manueller und redundanter Schritte, wodurch sich die Investition in die Digitalisierung schnellstmöglich bezahlt macht.

Dauer: 15 Minuten

 


Ihr Referent:

Dr. Thorsten Hackfort

Kooperationspartner derJohannes Müller Wirtschaftsberatung (BDU)

Fachkräfte, Corona und Gen Z: Wandel und Herausforderungen in unserer Arbeitswelt

Die Auswirkungen von Corona hatten in den beiden letzten Jahren eine schnelle Reaktion in vielen Unternehmen notwendig gemacht und gleichzeitig zu einer Dynamisierung im Arbeitsmarkt geführt. Unternehmen begegnen diesen neuen Rahmenbedingungen oft unterschiedlich erfolgreich. In der Dimension „Personal“ führt dies zu bekannten Herausforderungen und damit weiteren Fragestellungen. Die Antworten dazu sind nicht immer einfach. In diesem Impulsvortrag zeigen wir, wie der Markt in der Personalpraxis damit umgeht.

Dauer: 15 Minuten



 

 

 

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Fortbildung für Fach–und Führungskräfte -Expertenwissen für Ihren Erfolg
 

Zukunft gestalten heißt, den Wandel und die Digitalisierung als Chance zu begreifen. Jederzeit flexibel auf Veränderungen reagieren zu können, gelingt in Unternehmen nicht von heute auf morgen. Alle Beteiligten müssen an einem Strang ziehen. Führungskräfte und Mitarbeiter tragen neue Konzepte mit, wenn sie überzeugt davon sind und zum Gelingen beitragen dürfen und können.

Unsere Seminare und Workshops sind Bestandteil unserer ganzheitlichen Beratungsleistungen rund um die Steuerung von Unternehmen. Wir unterstützen Unternehmen als Wirtschaftsberatung, sich zukunftsfähig aufzustellen. Zu unserer Arbeit gehört, dass wir Geschäftsführer, Führungskräfte und Teamleiter befähigen, die an sie gestellten neuen Anforderungen in der Praxis umzusetzen. Ihr Unternehmenserfolg ist unser Antrieb und das seit mehr als 25 Jahren.

 

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